Etappen und Übernachtungsorte
Angabe über die Etappen, die voraussichtliche Gehzeit und Höhenmetern findest du unter alpen-adria-trail.com
Tribil – Cividale: Hotel Roma/62 Euro
Cividale – Weinberg bei Peternel: 0 Euro
Weinberg – Smartno: Hotel San Martin/ 72 Euro
Smartno – Gradisca d´Isanzo: Hotel Franz/87 Euro
Gradisca – Iamiano: Hotel Pahor/80 Euro
Iamiano – Duino: Camping Village Mare Pineta/28 Euro
Meine Wandergruppe
Spontanes Wandercoaching
Unter Zeitdruck mit einer deutlich leichter bepackten Reisegruppe zu wandern, schien mir eher stressig, daher hatte ich vor, am nächsten Tag alleine weiterzulaufen. Die Wienerinnen wollten nach 4.15 Stunden Laufzeit in Castelmonte den einmal täglich fahrenden Bus nach Cividale nehmen und ich sah mich schon mit hängender Zunge hinter ihnen her hecheln. Och nö! Im Nachhinein bin ich sehr froh, mit ihnen weitergelaufen zu sein, denn es war ein toller Tag mit den Dreien. Auf der Wanderung habe ich mich lange mit Petra unterhalten – wie schöne endlich mal wieder eine lange intensive Unterhaltung zu führen – und irgendwie ergab es sich, dass ich mit ihr spontan ein Coaching gemacht haben. Gehend kommen Gedanken auch einfach gut in Bewegung. Und so waren plötzlich zwei Stunden und mehrere Anstiege vorbei und Petra hatte ein für sie hilfreiches inneres Bild für ihr Anliegen entwickelt.
Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen – es fühlte sich ein bisschen wie Pfuschen an – habe ich mit den Damen den Bus bestiegen, um dann mit ihnen einen herrlichen Dolce Vita Tag in Cividale zu verbringen: im Al Campanile am Dom Frico (ein friaulischer Käse-Kartoffel-Fladen mit Polenta) essen und Radler trinken, im Café Zuckerfee auf der Piazza Paolo Diacono Eis essen, Weinschorle trinken und Leute gucken und den Abend entspannt bei leckerem Essen und Weinchen im schönen Innenhof des Antico Leon d´Oro ausklingen lassen… Entspannt? Zumindest bis der Regen sinnflutartig wurde. Da hatten wir uns schon unter ein kleines Vordach gerettet. Als es auch dort langsam zu nass wurde, sind Petra und ich mit unseren fast leeren Weingläsern in einen Fenstervorsprung geklettert und dort der drängenden Frage nachgegangen: Wie kommen wir an Nachschub. Im Restaurant anrufen??? Denn außer uns hatten sich alle inklusive der Kellner nach drinnen gerettet. Leider sind wir mit unserem Vorhaben gescheitert. Für meine Wanderpläne war es förderlich, dass wir nach dem Regen alle nach Hause wollten, um einen netten Ausklang des Abends an sich und des letzten Abends der Damen war es schade.
Cividale
Ab Cividale ging es dann alleine weiter, aber nicht ohne vorher noch etwas ganz Schwieriges von den Damen bei Post zu verlangen: ein Päckchen (mit warme Klamotten) nach Deutschland schicken. Drei ausgefüllte Formulare, drei bemühte Damen, eine halbe Stunde und 19,97 Euro (für 900g) später habe ich mich unter dunklen Wolken und Donnergrollen auf den Weg in Richtung Slowenien gemacht. Weinreben so weit das Auge reichte.
Ich war unglaublich entspannt, denn es war klar, dass ich am Etappenziel Golo Brdo vorbeilaufen, es aber auf keinen Fall bis Smartno schaffen und daher irgendwo campen würde. Ohne Ziel loszulaufen war für mich super, denn so musste ich ja auch keins erreichen. So konnte mich auch nicht aus der Ruhe bringen, als ich in Breg der Navi-Route gefolgt war und es hieß „Jetzt rechts abbiegen“ – nur leider gab es kein Rechts, zumindest dort keinen Weg, nicht mal die Andeutung eines Weges. Dann wohl links mangels Alternativen. Irgendwann fand ich mich vor einer Böschung wieder. Mein Handy zeigte an, dass dort oben der Trail verlaufen sollte. Also zurückgehen oder ein paar Meter klettern? Natürlich hochklettern, um dann oben und mit ein paar Kratzern mehr festzustellen, dass der Trail schon vor längerer Zeit verlegt worden sein musste. Hier war lange niemand mehr langgelaufen. Über die Brombeeren zu steigen, die Brennnesseln zur Seite zu biegen und durch hohes Gras zu laufen, fand ich akzeptabel, inakzeptabel aber die Spinnennetze, die mir ständig an Armen, Beinen und Gesicht klebten. Ich bin Spinnen wirklich wohl gesonnen, aber das ging mir dann doch zu weit. Den Rest des Waldweges habe ich Samurai-like hinter mich gebracht: wie ein Schwert habe ich meinen Wanderstab in rhythmischen, gleichmäßigen Bewegungen vor mir auf und ab geschwungen. Vermutlich zur Erheiterung alle mich heimlich beobachtenden Waldtiere.
Mein Weinberg
Mittags habe ich ganz entspannt eine Podcast-Folge lang Pause gemacht – auch ein Punkt meiner to-do-Liste – und wäre tatsächlich auch in der Krcnik-Schlucht baden gegangen – die innere Ruhe dazu hatte ich – , wenn nicht schon sehr sehr viele anderen Menschen vor mir auf diese Idee gekommen wären. Stattdessen habe ich in einem „Sitzkasten“ ganz in Ruhe bei einem Täschen Tee Tagebuch geschrieben und mich über die Aussicht, den Tag und den Trail gefreut. Das Stück Wegstrecke hinter Peternel hatte ich fürs Campen auserkoren, da dort keine Straße entlangführt und ich in der Gaststätte „im Ort“ – ich glaube, die Gaststätte IST der Ort – Wasser auffüllen konnte. Praktischerweise arbeitete auf einem Feld jemand. Jemand, dem ich in einer gewagten Englisch-Spanisch-Zeichensprachen-Mischung klarmachen konnte, dass ich einen Platz für mein Zelt suche. Spanisch? Hm ja, Italienisch oder Slowenisch kann ich halt nicht J Jemand, der mich daraufhin zu einem Weinberg führte, eine einladende Geste machte und auf mein „Perfecto!“ hin verschwand. Ich konnte meine Glück kaum fassen. Ich hatten einen Weinberg ganz für mich! Ich konnte legal mein Zelt aufstellen! Und von dort auch noch den Sonnenuntergang sehen! Letzteren habe ich nicht mehr vollständig abgewartet, sondern bin zum Lesen ins Zelt verschwunden, da mir ameisenfreies Liegen als gute Abwechslung zum auf-dem-Boden-Sitzen schien.
…aber wer ist da noch in meinem Weinberg?
Doch plötzlich war da draußen etwas. Sie waren zahlreich. Sie ließen das Laub rascheln. Sie schnupperten. Sie waren nah beim Zelt. Sie schnauften. Sie blieben stehen. Sie waren durch das Mini-Mückengitter nicht zu sehen. Sie machten mir Angst. Meine Gedanken: Wildschweine. Essen im Zelt. Sie werden das Zelt überrennen. Lohnt es sich, mich in die Luftmatratze einzuwickeln quasi als Airbag? Meine Horrorvorstellung: Aus dem „Fenster“ direkt in die Augen eine riesigen Wildschweins mit gewaltigen Hauern zu gucken.
Und dann war alles wieder still! Es hat noch eine Weile gedauert, bis ich mich raus getraut habe, um nach Spuren zu suchen. Nichts. Es wird ein Rätsel bleiben. Die restliche Nacht verlief aufgrund von Oropax friedlich. Oropax sind meine ultimative Waffe gegen unheimliche Geräusche: wenn ich nichts höre, ist auch nichts da. Denn ich könnte ja eh nichts machen, dann doch lieber ruhig schlafen.
Mein Plätzchen im Weinberg
Nach dem herrlichen Sonnentag erwarteten mich am nächsten Morgen wieder dunkle Wolken und später auch der erste Regen während der Tour. Das Wetter spielte für den weiteren Verlauf der Etappe und der Wahl der Übernachtungsart eine entscheidende Rolle. Denn ich habe von Dobrovo aus den Weg über die Straße gewählt, statt dem Trail zu folgen, bin unter Donnerbegleitung im Schweinsgalopp den Berg nach Smartno rauf gehetzt und habe mich dort ins Hotel begeben, statt mir – wie eigentlich geplant – einen neuen Platz zum Zelten zu suchen. Selten habe ich mich für eine Entscheidung so gefeiert wie für diese: Kaum angekommen ging draußen ein heftiges Gewitter los mit allem was dazu gehört. Und ich habe mir das Schauspiele von meinem Bett aus angesehen: den stundenlangen Regen, die Blitze, die die Wege runterlaufenden Bäche, die umkippende Stühle und Schirme auf der Hotelterrasse.
Kann man jemand was gegen den Regen machen?
Eichen sollst du weichen…?!
Die nächste Etappe war dieser in allem recht ähnlich – graue Wolken, Weinberge, Regen, Abkürzung, Hotel. Diese Mal dauerte der Regenschauer allerdings deutlich länger, ich saß aber auch deutlich gemütlicher.
Tags zuvor hatte ich den Regen unter einem Baum abgewartet. In einem Buch von Peter Wohlleben hatte ich kurz zuvor gelesen, dass es egal sei, unter welchem Baum man Schutz suche. Dass der Spruch „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen“ auf fehlerhaften Interpretationen von Beobachtungen beruht. Bei Eichen läuft ein Blitz unter der Rinde entlang, so dass diese aufplatzt, bei Buchen durchs Innere, so dass man von außen nichts sieht. Die Anzahl der Einschläge sei aber identisch. Das fand ich sehr beruhigend… auch wenn ich weder unter einer Eiche noch einer Buche stand.
Nun saß ich blitzgeschützt auf Holzpaletten zwischen Weinfässern, Anhängern, Kisten – offenbar im Hinterhof eines Weingutes und hatte ausreichend Zeit zum Picknicken und ein paar Kapittel zu lesen. Durch eine kleine Seen- und Flusslandschaft auf Straßen und Wiesen habe ich dann meinen Weg fortgesetzt. Da ich mir den Schlenker über Cormons gesparte hatte, bin ich weiter über Felder, vorbei an Sonnenblumen und noch mehr Wein nach Gradisca gelaufen. Leider sah es schon wieder so nach Regen aus, dass mir nach den Wettererfahrungen des Vortages zelten zu riskant erschien. Mein Zelt ist zwar regendicht und windbeständig, aber irgendwo bei Gewitter im Zelt zu schlafen, wo niemand weiß, wo ich bin, musste ja nicht sein. Schade, dass ich den Pool und die Liegewiese des Hotel Franz nicht adäquat nutzen konnte: sich bei Nieselregen unter dem Schirm auf der Liege mit einem Buch in der Hand zusammenzukauern hat auch niemand außer mir gemacht.
Kurz vor Ende
Und plötzlich war ich schon auf meiner letzten Etappe unterwegs. Wie war das denn so plötzlich passiert? Und: wollte ich eigentlich schon ankommen? Und: wollte ich wirklich 7.30 Stunden reine Gehzeit mit 650 Höhenmetern rauf und runter laufen? Eher nein. Außerdem gab es in Iamiano ein Agrotourismus Hotel/Restaurant mit großem Garten: da konnte ich doch bestimmt zelten. Wäre vielleicht auch möglich gewesen, wenn sie nicht – offenbar schon länger – geschlossen gehabt hätten. Ich musste unbedingt meine Wasservorräte auffüllen, wenn es war den ganzen Tag heiß und anstrengend gewesen. Aber auch mit Gänsehautmoment als ich mich auf dem Monte San Michele umdrehte und plötzlich vor mir das Meer in der Sonne glitzerte. Plötzlich waren die Vegetation und die Gerüche mediterran und das Wetter wie es sich für Italien im Sommer gehört: blauer Himmel, wolkenlos und seeehr warm. Besonders auf den Wanderwegen den Gorjupa Kupa rauf ohne jeglichen Schatten und ohne jegliche Sitzmöglichkeit für eine Pause – außer Mitten auf dem Weg in den Schatten eines kleinen Busches gekauert.
Unerwartet nette Pause
Dementsprechend durstig und auch wasserlos brauchte ich in Iamiano eine Alternative. Die Tür zum Hotel Restaurant Pahor stand offen, dennoch schaute mich der junge Mann sehr irritiert an, als ich nach einer Cola und einer Möglichkeit zum Wasserfassen fragte. Eigentlich sei er gar nicht da, erklärte er mir. Hm, ach so?! Er sei erst in drei Stunden hier. Hm, ach so?! Dann würde das Restaurant öffnen. Ah ja!?! Ich könne dennoch Cola und Wasser bekommen. Yippieee! Da außer mir niemand da war, habe ich es mir auf der Terrasse gemütlich gemacht, nach der Cola ein Weinchen bestellt und mir – auf die Idee des jungen Mannes hin – noch ein Gläschen Wein in meine Wasserflasche füllen lassen. Für später. Da hatte ich noch die Vorstellung, dass ich mit dem Wein später vor meinem Zelt irgendwo in der Wildnis sitzen würde. Während ich so vor der Restaurant saß, Tagebuch schrieb, laß, Weinchen trank, rückte meine Motivation, auch nur noch einen Kilometer zu laufen, stündlich in immer weitere Ferne. Als drei Stunden später der junger Mann zurückkehrte, schaute er mich erneut – dieses Mal völlig berechtigt – irritiert an, gab mir aber dennoch ein Zimmer und ich habe den Abend mit leckerem Essen und netten Gesprächen ausklingen lassen.
Die verbleibenden etwa drei Stunden nach Duino über nahezu ebene Wege liefen sich schnell und bis zum Ortseingang hätte man die Stadtnähe nicht erahnt so „naturig“ war der Weg. Und plötzlich stand ich am Meer! Sonnenfunkeln auf dem Wasser, der Geruch von Meer und der leichte Geschmack von Salz. Ich hatte es geschafft! Ich war 300 km über die Alpen gelaufen! Und jetzt war ich am Meer angekommen! Wow!!! Wäre der Trail ein Film hätte ich jetzt meinen Rucksack abgeworfen, meine Wanderschuhe ausgezogen, hätte eine gekühlte Dose Sekt aus meinem Rucksack gezaubert und wäre über den weichen Sand ins Wasser gerannt. Welch schönes Bild für das Ende dieses Films, natürlich mit entsprechender Musik dazu! Leider fehlte mir der Sekt und dem Strand der Sand, sonst wäre das genauso gelaufen.
So bin ich dann noch die 6 km bis zum Campingplatz gelaufen, habe dort ein kaltes Wasser auf mich getrunken, bin den steilen Weg durch den Wald mit Flipflops zum Meer runter geklettert und habe mich fluchend, über ungemütliche Steine laufend ins Wasser begeben. Nicht ganz so filmtauglich, aber mein ganz eigenes Ende des Alpen-Adria-Trails.